- Helena Dolderer und Paul Bonte
Wir haben uns umgehört: Das sind eure Stimmen zum Corona-Management an der Viadrina!
Aktualisiert: 22. Feb. 2022
Wir erinnern uns noch gut an die kleine Meldung: Mysteriöse Lungenerkrankung in China aufgetaucht. Fast zwei Jahre ist das jetzt her. Inzwischen ist nichts mehr, wie es vorher war. Das Coronavirus bestimmt unseren Alltag – und ganz erheblich unser Unileben.
April 2020: Das erste Semester seit Beginn der Pandemie fängt an. Die Viadrina muss handeln. Also beginnt das erste Online-Semester. Statt im großen Hörsaal mit anderen jungen Menschen sitzen die Studis von nun an allein vor ihrem Laptop. Für drei Semester ist das der neue Standard, nicht nur in Frankfurt (Oder). Dutzende Erstis schmeißen nach dem ersten Semester hin. Psychische Belastungen nehmen zu, die Motivation rapide ab.
Im Herbst 2021 nun endlich ein Aufatmen: Die Viadrina startet mit Präsenzveranstaltungen! Es gibt zwar Impfpasskontrollen am Eingang und begrenzte Sitzplätze sowie Maskenpflicht im Gebäude, aber trotzdem fühlt es sich an, als hätten wir ein Stück Normalität zurück. Bis vor ein paar Wochen die Zahlen erneut anfangen zu steigen.
Irgendwo zwischen Präsenzlehre und vierter Welle ist die Stimmung unter den Studis eine Mischung aus Frustration, Besorgnis, Erschöpfung und Ratlosigkeit. Wir haben auf dem Campus eure Meinungen zu den Maßnahmen der letzten Wochen gesammelt:
„Ich bin wirklich besorgt, täglich von höheren Inzidenzen und Todesfällen zu lesen. Wie ernst es ist, merkte ich, als der Vater eines guten Freundes trotz akuter Krankheit nicht in der Notaufnahme aufgenommen wurde, da sie überfüllt war. Er musste zuhause von seiner Tochter gepflegt werden. Blöd finde ich, dass gerade alles aus Eigenverantwortung geschieht. Bleibe ich zuhause, weiß ich, dass ich etwas Gutes tue, merke aber auch, wie viel ich verpasse. Seminare, Partys, Präsenzuni und Fahrten – zu allem muss ich mich selber zwingen nein zu sagen, um dann zu sehen, wie andere es genießen und sich der Gefahr offensichtlich nicht bewusst sind. Fühlt sich ungerecht an und gefährdet Menschenleben.” – Rosa
„Ich würde mich mit 2G+ und der Möglichkeit, alle Veranstaltungen auch online verfolgen zu können, wohler fühlen.” – Karl
„Am Semesteranfang machte das Corona-Management an der Viadrina einen guten Eindruck. Ich habe mich gefreut, dass es Einführungsveranstaltungen in Präsenz gab, dass meine Seminare und Vorlesungen auch in Präsenz angeboten wurden. Das war bei Freund*innen von mir, die an anderen Unis studieren, nicht so. Allerdings braucht es konsequentere 3G-Kontrollen, dann fühle ich mich in meinen Lehrveranstaltungen sicherer! [...] Es hat mich gefreut, wenn die Dozierenden das weitere Vorgehen mit den Kursteilnehmenden besprochen haben. So fühlen wir uns auch gehört. Für die Zukunft wünsche ich mir für Vorlesungen weiterhin hybride Formate. Ich fand es in den letzten Wochen irritierend, von Professor*innen zu hören, wenn sie ihre Vorlesungen nicht online zur Verfügung stellen wollten. Jede*r sollte die Chance haben, sich die Vorlesungen anzuschauen und auch bei einer Erkältung mal zu Hause bleiben zu können.” – Katharina
“Das Collegium Polonicum ist ein regelfreier Raum. Dort gilt kein 3G und faktisch keine Maskenpflicht. Ich bereue es, mich für ein Studium an dieser Institution entschieden zu haben.” – Student
“Die Erfahrungen der letzten Online-Semester zeigten mir persönlich, dass trotz sehr hoher Anstrengungen seitens der Lehrenden und Studierenden die Aneignung vermittelter Inhalte nachgelassen hat. Ich glaube, diese Situation könnte nur die vollständige Umstellung auf Präsenzlehre ändern. Die Erfahrung zeigt, dass die Maßnahmen, an die sich die meisten halten, nicht helfen, die Fallzahlen zu mindern. So glaube ich: Wenn die Mehrheit die 3G-Regeln beachtet und Präsenzunterricht in Anspruch nehmen würde, würde das keinen Einfluss auf die Zahl der neuen Erkrankungen haben.” – Maksymilian

“Präsenz bei einer so hohen Inzidenz halte ich für fragwürdig.” – Studentin
“Die Corona-Maßnahmen der Viadrina wurden viel zu spät an das explodierende Infektionsgeschehen angepasst. Die Vorgaben des Landes Brandenburg setzen der Uni dabei klare Grenzen, diese wurden aber bei weitem nicht ausgenutzt. Den Lehrenden wurde das Hausrecht für die Umsetzung der Maßnahmen übertragen – hier würde ich mir ein konsequenteres Handeln wünschen.” – Peer
“Chronisch Kranke müssen für Klausuren in Präsenz die Gefahr einer Erkrankung hinnehmen, das finde ich schade.” – Studentin
“Nach zwei Jahren Lehren und Studieren in der Pandemie finde ich es schade, dass die Beschlüsse zu Maßnahmen immer noch so intransparent gefasst werden. Unsere kleine Uni bietet die Chance, unkompliziert in einen offenen Dialog zu treten, über Bedürfnisse und Sorgen von Lehrenden und über die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Sie bietet aber genauso die Gefahr von Spekulationen, Unsicherheiten und Frust bei Intransparenz.” – Studentin
Wir haben die Präsidentin unserer Universität, Julia von Blumenthal, mit euren Sorgen konfrontiert:
Wearedrina: Frau von Blumenthal, warum wird am HG und AB häufig nicht kontrolliert, so wie im Audimax und GD?
Julia von Blumenthal: Wir sind für die Einlasskontrolle auf einen externen Dienstleister angewiesen. Dieser hat nicht ausreichend Personal zur Verfügung, um täglich alle Gebäude zu kontrollieren. Deswegen haben wir im Krisenstab entschieden, dass die Gebäude, in denen die meisten Lehrveranstaltungen stattfinden, täglich kontrolliert werden. Da Studierende meist nicht nur zu einer Veranstaltung auf den Campus kommen, können wir so einen sehr hohen Anteil der Studierenden und Lehrenden täglich mindestens einmal kontrollieren. Weitere Gebäude werden in die Kontrolle einbezogen, soweit Kapazitäten dies ermöglichen. Dabei legen wir einen Schwerpunkt auf die August-Bebel-Straße.
Warum gilt am CP die 3G-Regel nicht?
von Blumenthal: Das Collegium Polonicum ist ein Gebäude der Adam-Mickiewicz-Universität. Hier gelten die polnischen rechtlichen Vorgaben. Diese sehen zwar eine Kontakterfassung vor, erlauben aber keine Einlasskontrolle nach der 3G-Regel.
Halten Sie die 3G-Regel bei so hohen Inzidenzen generell für tragbar?
von Blumenthal: Universitäten sind öffentliche Bildungseinrichtungen und müssen daher bei der Einschränkung des Zugangs besonders hohe rechtliche Hürden beachten. Wir haben eine hohe Impfquote unter den Studierenden. Präsenzlehre findet unter kontrollierten Bedingungen statt. Unter diesen Voraussetzungen und unter Berücksichtigung des abzuwägenden Teilhabeanspruchs ist eine 3G-Regel für Bildungseinrichtungen generell anders zu bewerten als im Freizeitbereich.
Warum geht die Viadrina nicht noch transparenter mit Entscheidungsprozessen um und schafft mehr Räume für den Austausch mit Studierenden?
von Blumenthal: Im wöchentlich tagenden Krisenstab ist die AStA-Vorsitzende permanent beteiligt. Die aktuelle Situation wurde außerdem in den Fakultätsräten, denen auch Studiere angehören, mehrfach diskutiert. Über die Mailadresse praevention@europa-uni.de bekommen wir regelmäßig Rückmeldungen von Studierenden, die in die Entscheidungsfindung des Präsidiums eingehen. Alle Entscheidungen werden unmittelbar umfassend kommuniziert.
Kurz vor Veröffentlichung dieses Artikels landete im Postfach aller Studierenden am 2. Dezember eine E-Mail: Ab dem 13. Dezember (nächsten Montag) wird wieder weitgehend auf Onlinelehre umgestellt. „Wir müssen feststellen, dass die Impfquote und die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen”, heißt es in der Mail.

Kurse in Präsenz können demnach nur noch fortgesetzt werden, wenn die Teilnahme vor Ort freiwillig ist, also die Veranstaltung in hybrider Form angeboten wird. Außerdem können Ausnahmen für kleine Kurse und besondere Formate wie Blockveranstaltungen beantragt werden, die weiterhin komplett in Präsenz stattfinden können. Die Infos sollen in den kommenden Tagen von den entsprechenden Lehrenden kommen.
Was das nun für die kommenden Monate bedeutet und ob es Präsenzklausuren geben wird – auch darauf wollten wir Antworten von Frau Prof. von Blumenthal:
Warum halten Sie die Umstellung auf Onlinelehre für nötig?
von Blumenthal: Wir befinden uns gerade in Frankfurt (Oder) in einer kritischen pandemischen Lage. In den letzten Wochen haben die sorgenvollen Rückmeldungen von Studierenden und Lehrenden zugenommen. Auf diese Situation haben wir als Präsidium reagiert. (...) Wichtig ist uns, dass Lehre vor Ort für Studierende freiwillig ist.
Bis wann gelten die gestern veröffentlichten Maßnahmen?
von Blumenthal: Die Maßnahmen gelten bis zum Ende der Vorlesungszeit des Wintersemesters 2021/22. Dies steht unter dem Vorbehalt, dass sich der Rahmen, den uns die Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg und das das Bundesinfektionsschutzgesetz setzen, nicht wesentlich ändert.
Wird es, Stand jetzt, Präsenzklausuren geben?
von Blumenthal: Ja. Klausuren haben wir während der gesamten Pandemie auch in Präsenz durchgeführt. Dabei wird es bleiben. Wir werden wie bisher auch auf hohe Präventionsstandards setzen und, wo immer dies rechtlich und faktisch möglich ist, Alternativen bzw. Wiederholungstermine anbieten.
Wie wird es im kommenden Sommersemester weitergehen?
von Blumenthal: Angesichts der gerade entdeckten Omikron-Variante ist das im Moment schwer vorherzusagen.
Doch welche Entscheidungen kann die Viadrina überhaupt eigenständig treffen? Mit dem 24. November traten vom Brandenburger Kabinett beschlossene Maßnahmen in Kraft, die vorerst bis zum 15. Dezember gelten. Präsenzlehre soll unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin stattfinden dürfen: Einer Zutrittskontrolle, dem Tragen einer Maske, dem regelmäßigen Austausch der Raumluft und der Erfassung von Personendaten. Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene müssen einen tagesaktuellen negativen Testnachweis vorzeigen. Selbsttests reichen dazu nicht mehr aus.
Die Vorgaben sind also einerseits ziemlich eng gefasst. Andererseits: Ob die Viadrina nun tatsächlich Vorlesungen in Präsenz anbietet, bleibt ihr selbst überlassen. Was ist aktuell vertretbar? Und was wäre eine Zumutung? Eure Stimmen haben uns gezeigt: Viele machen sich Sorgen und werden sich vermutlich mit der Umstellung auf Onlinelehre wohler fühlen. Aber nicht alle. Das Corona-Management bleibt ein ständiger Trade-off, bei dem die Studis so oder so belastet werden.
Sind noch Fragen offen? Das Team der Präventionsstelle ist unter folgender E-Mail-Adresse für euch erreichbar: praevention@europa-uni.de
Was ist eure Meinung zu den Maßnahmen und der aktuellen Situation der Studis während der vierten Welle? Hinterlasst uns gerne einen Kommentar!