- Elisabeth Okunrobo
Was ist Intersektionalität?
Aktualisiert: 22. Okt. 2020
Der Begriff der Intersektionalität ist immer öfter und in verschiedenen Diskursen zu finden, seien es Feminismus, Anti-Rassismus, oder Klimagerechtigkeit betreffende Diskurse.
Intersektionalität spielt eine immer größer werdende und notwendige Rolle. Aber was bedeutet Intersektionalität überhaupt?
Der Begriff der Intersektionalität, welcher seinen Ursprung im Schwarzen Feminismus der USA findet, bezeichnet das Überschneiden von verschiedenen Diskriminierungsformen, auch Mehrfachdiskriminierung genannt.
Der Begriff der Intersektionalität wurde das erste Mal von der US-amerikanischen Juristin Kimberlee Williams Crenshaw im Jahre 1989 in einem von ihr verfassten wissenschaftlichen Aufsatz verwendet.
Der Begriff der Intersektionalität jedoch ist mindestens genauso alt wie die Kämpfe gegen Kolonialismus und Versklavung selbst. Auch wenn er zu dieser Zeit noch nicht als Begriff genutzt wurde, wurden die Dimensionen dieses Begriffs schon vorgelebt.
Die Frauenrechtlerin Sojojurner Truth stellte sich schon 1851 die Frage:
“Ain't I a woman?“
Sie kritisierte damit nicht nur den Umstand, dass Frauen wegen ihres Geschlechts kein Wahlrecht hätten, sondern ebenfalls das Vorhandensein von Rassismus, Klassendiskriminierung und auch Unterdrückung in der Frauenbewegung selbst.
Sie kritisierte aber auch die sexistische Diskriminierung, die Schwarze Frauen innerhalb der schwarzen Gemeinschaft erfuhren.
Sie hat zum Ausdruck gebracht, dass die Diskriminierung, die Schwarze Frauen erleben, sich von denen Schwarzer Männer als auch weißer Frauen unterscheidet.
Bei diesen Erfahrungen – der Überschneidung von, in diesem Fall, Rassismus und Sexismus – handelt es sich um Vielfachdiskriminierung , die die gesellschaftliche Position von Schwarzen Frauen und Women of Colour kennzeichnen sollte.
Die kritischen Stimmen Schwarzer Frauen und Women of Colour wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert stets dadurch übertönt, dass sie in die Kategorie „Frau“ gefasst wurden.
Der Feminismus und dessen Anliegen wurden lange Zeit nämlich nur auf weiße Mittelschichtsfrauen, als auch auf die gesellschaftliche Fixierung des Mannes beschränkt, ohne die Diskriminierungsformen Schwarzer Frauen zu beachten.
Ohne sie werden im Kampf gegen Sexismus immer wieder rassistische und im Kampf gegen Rassismus immer wieder sexistische Strukturen reproduziert.
Der Begriff der Intersektionalität sollte in diesem Fall ein grundlegendes Problem benennen und die Strukturen hinter diesem Problem freilegen, denn erst wenn man ein Problem benennt und anerkennt, ist es nachhaltig möglich dagegen vorzugehen.
Aus einer wissenschaftlichen Perspektive betrachtet, ist Intersektionalität ein aus der Soziologie stammendes Konzept, welches es erlaubt, Identität als vielsichtiges Konstrukt zu verstehen. Intersektionalität macht die unterschiedlichen Bedingungen einer Diskriminierung sichtbar.
Der Begriff der Intersektionalität umfasst die Gesamtheit der Frauen, gerade diejenigen, die weniger privilegiert sind und so oft keine Plattform in diesem Diskurs geboten bekommen.
Feminismus sollte ein Kampf für alle Frauen seien, und da er das lange Zeit nicht war, muss noch viel stärker an der Schaffung hin zu einem intersektionalen Feminismus gearbeitet werden.
Häufig wird zwar für Schwarze Frauen, Women of Colour, Indigene Frauen und Muslimische Frauen gesprochen und sie sind nicht mehr unsichtbar, aber auch sie selbst müssen es sein, die für sich sprechen können. Die Lebensrealitäten dieser Frauen entsprechen nämlich ganz und gar nicht denen von weißen Frauen, die noch heute als Norm angesehen werden und so auch mehr Privilegien genießen.
Wenn wir also von Intersektionalität sprechen, verlangen wir, die Anerkennung von verschiedenen Diskriminierungsformen und deren Konsequenzen. Wir verlangen, dass anerkannt wird in welch strukturell rassistischen System wir leben und welche riesige Dimension Rassismus und Diskriminierung einnehmen.
Von niedrigeren Chancen und schlechterer Bewertung in der Schule, Racial Profiling durch die Polizei, ständiges Angestarrt werden und als anders und nicht zugehörig wahrgenommen zu werden bis hin zur Verweigerung medizinischer Versorgung und rassistisch motivierte Morde durch die Polizei oder Rechtsextremisten*innen oder Rassisten*innen.
Hierbei ist es aber auch wichtig, dass weiße Menschen sich ihres White Privilege bewusst werden, also anerkennen, dass sie nicht von Rassismus betroffen sind, und aufgrund ihrer äußeren Erscheinung einen Vorteil in unserer Gesellschaft genießen, in der Weißsein noch immer als die Norm angesehen wird.
Schwarze Frauen und Women of Colour müssen mit am Tisch sitzen, an vorderster Front, und endlich bekommen, was ihnen zusteht. Es ist auch gerade die Aufgabe der weißen FeministInnen diesen Raum zu ermöglichen und sich nicht als Sprachrohr für weniger privilegierte Frauen zu verstehen.
Sie müssen Teil des Ganzen sein, denn ohne sie, wird nie eine Form von Ganzheit gegeben sein, auch wenn viele Frauen, gerade im weißen Feminismus, sich das noch eingestehen müssen, denn sie dachten lange Zeit ihr Feminismus wäre auch unser Feminismus.
Nur mit Rücksichtnahme, zum Teil auch mit Verzicht, Reflexion und dem Hinterfragen von Privilegien, kann es einen Feminismus für alle Frauen, ein intersektionalen Feminismus geben. Dementsprechend ist nur jener Feminismus, welcher intersektional ist, wirklicher Feminismus.