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  • AutorenbildNathalie Trappe

Von bunten Stickern und anderen Katastrophen

Wie dreißig Jahre vergingen, bis Umwelt interessant wurde

Jutebeutel, Recycling und Demos für den Kohleausstieg. Klingt irgendwie so ziemlich nach deinem Alltag oder zumindest nach dem deines Mitbewohners, den du liebevoll „Öko“ nennst? Tatsächlich könnte das aber auch die Lebensgeschichte einer Person aus den 1980er Jahren sein. Denn schon im Jahr 1978 warb etwa das Handelshaus GEPA mit Jutebeuteln, die in der Bundesrepublik Plastiktüten beim Einkauf ersetzen sollten. Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa begann die sogenannte erste Umweltbewegung bereits in den 1950er Jahren. Der Europarat erklärte dann das Jahr 1970 zum offiziellen Naturschutzjahr. Wo genau diese Bewegung – oder besser die Vielzahl an Bewegungen – anfängt, kann heute aber niemand wirklich klar definieren. Der Deutsche Bund für Vogelschutz, den wir heute unter dem Namen NABU kennen, gründete sich jedenfalls schon 1899. Aber machte sich die Menschheit wirklich schon Gedanken über unseren Planeten oder war das eher eine Nischenbewegung für eben jene „Ökos“, über die sich bis heute gerne lustig gemacht wird?

Ein Problem, das Umweltbewegungen seit jeher unterstellt wird, ist ihre Unschärfe. Zwar startete in den 70er Jahren das von sonnigen Stickern bekannte „Nein zu Atomkraft“, die Kritik an Öl-Konzernen und eine ganz neue Vorstellung von einem umweltgerechten Leben. Der Unterschied aber war, dass es bei der „peace, love and harmony“-Generation erstmal „nur“ um ein besseres Leben in Einklang mit der eigenen Umwelt ging und nicht unbedingt um das große Ganze. Hinzu kam, dass diese Einstellung zu diesem Zeitpunkt nur ein Bruchteil der Gesellschaft unterstützte und die Umweltfrage die damalige BRD zu spalten schien. Im Jahr 1980 gründete sich in diesem Teil Deutschlands zwar aus den verschiedenen Bewegungen auch eine Partei mit dem Namen „Die Grünen“. Diese hatte allerdings im Jahr 1982 gerade einmal 20.000 Mitglieder. Zum Vergleich: Heute zählt die Partei, die mittlerweile nicht nur im Deutschen Bundestag vertreten ist, sondern auch die Regierungskoalition bildet, mehr als fünfmal so viele.

Erst mit dem Reaktorunglück 1986 im ukrainischen Tschernobyl beginnt in Deutschland ein allgemeines Umdenken. Das sogenannte Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl so schnell gegründet wie zuvor kein anderes Ministerium, um den umweltpolitischen Fragen Gehör zu verschaffen.

Schnitt. August 2018. Eine 15-jährige Schwedin namens Greta sitzt vor dem nationalen Regierungsgebäude und verweigert den Schulunterricht als Protest gegen das fehlende Verständnis für die Weltklimakonferenz im Jahr 2015. Auch diese wurde im internationalen Rahmen bereits seit 1992 durchgeführt, jedoch ebenfalls ohne abseits der Wissenschaft viel Beachtung zu erhalten. Umso enormer präsentiert sich dafür dann aber die weltweite Aufmerksamkeit für Greta. In verschiedensten Ländern entwickelt sich eine soziale Jugendbewegung namens „Fridays for Future“. Ihnen geht es um das Erreichen des 1,5 Grad-Ziels von eben jener Konferenz. Aber es geht ihnen auch um alles, wofür schon manch ein Elternteil sich einst stark machte – und teilweise sogar noch macht. Insgesamt gibt es nämlich mittlerweile mehr als 700 Ortsgruppen und zahlreiche verwandte Bewegungen, wie zum Beispiel „Parents for Future“ oder „Students for Future“ (in manchen Orten wie an unserer Uni auch Students for Climate Justice).

Und noch heute werden all diese Bewegungen gerne als Minderheit abgetan oder aber der Bildung einer „ökosozialistischen Diktatur“ bezichtigt (Zitat AfD-Politiker Karsten Hilse im Jahr 2019). Was sich aber gewandelt hat, ist das Spiegelbild namens Alltag. In Deutschland sind nur noch drei Atomkraftwerke in Betrieb, die Ende des Jahres ebenfalls abgeschaltet werden sollen. In deutschen Supermärkten gibt es Plastiktüten allerhöchstens noch gegen Bezahlung, dann aber mit verächtlichen Blicken von allen Seiten. Es geht nicht mehr nur um eine kleine Ungereimtheit, es geht um den gesamten Planeten. Global ist noch immer viel zu tun. Doch der Stein, der in den 1960ern ins Rollen gebracht wurde, könnte sehr bald vielleicht sogar politisch einen Erdrutsch verursachen. Andere Kollektive wie beispielsweise "Ende Gelände" organisieren mittlerweile ganze Besetzungen von Kraftwerken, alles hat plötzlich viel mehr Gewicht als zu „peace, love and harmony“-Zeiten.

Und selbst, wenn du außerhalb deiner Blase denkst, fallen dir sicher mindestens drei Personen ein, die auf ihrem Jutebeutel bestenfalls die Atomsonne und einen „Fridays for Future“- Planeten genäht haben. Das mag einfach ein Fashion-Trend sein – oder der Wandel im Klimawandel.


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