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  • Katharina Birjukov

Und schon wieder Covid!

Aktualisiert: 8. Mai 2022


„Was ist deine Vorhersage für 2022?‘‘ fragt mich meine beste Freundin. „Ich glaube wir bekommen beide Omikron!‘‘ sage ich halb ernst, halb im Scherz. „Ich weiß nicht genau wann, aber ich glaube es wird nicht so lange dauern. Vielleicht haben wir es sogar gleichzeitig?‘‘ Nichtsahnend lachen wir bei der Vorstellung laut auf.

Am ersten Tag im neuen Jahr lehnen wir uns an den mit Kissen gepolsterten Bettrücken. Zwischen uns steht mein Laptop. Bunte Bilder aus einem gestreamten Film ziehen über den Bildschirm. Heißer Tee dampft aus den Tassen, die wir in unseren Händen halten. Von hier aus bewegen wir uns nicht viel vom Fleck. Abends bestellen wir Essen. Kochen ist keine Option, denn die Küche sieht nach der gestrigen Silvesterfeier verwüstet aus. Das Essen ist enttäuschend. Ich bemerke scherzhaft, dass ich wenigstens etwas riechen und schmecken kann. Schließlich hatte ich vor nicht mal einem Jahr schon einmal Covid und meinen Geruchssinn verloren. Es hat Monate gedauert, bis ich wieder normal riechen konnte.

Nach anderthalb Tagen Faulenzen haben wir genug und möchten ins Museum. Der 2. Januar ist zufällig auch der Museumssonntag in Berlin. Eine kurze Recherche ergibt: Wir hätten uns früher um Zeitfensterkarten kümmern müssen, denn alle Slots sind ausgebucht. Schließlich finden wir eine Fotoausstellung, die wir uns ansehen können. Wir gehen hin - das sollte unsere erste und letzte Unternehmung für den Januar sein. Doch davon ahnen wir am 2.01. noch nichts.

Vielleicht hätten wir am 3. Januar etwas ahnen können, als meine beste Freundin bemerkt, dass es ihr nicht so gut geht. Ihr ist irgendwie schwindelig. Sie legt sich kurz hin. Könnte das Corona sein? Wir gehen ins nächste Testcenter und lassen einen Schnelltest machen. Negativ. Am nächsten Morgen fährt sie noch nach Hause und macht hier einen Selbsttest. Recht schnell bildet sich der verheißungsvolle zweite rosa Strich. 24 Stunden später bestätigt ein PCR-Test das Ergebnis. Wir erfahren sogar die Variante: Omikron.

Ich bin nun Kontaktperson 1. Grades. Ich bin genesen und geimpft. Meine beste Freundin ist vollständig geimpft. Die Impfung schützt gut vor einem schweren Verlauf, aber nicht immer vor Ansteckung. Vielleicht habe ich mich aber doch nicht angesteckt? Muss ich jetzt in Quarantäne? Angeblich soll sich das Gesundheitsamt bald melden. Etwas daran hört sich unrealistisch an. Die Suche nach Antworten gestaltet sich als schwierig. Der Tonus auf den Coronaseiten des Berliner Gesundheitsamts: Das Gesundheitsamt ist derzeit nicht telefonisch erreichbar und bei Fragen, die man selbst recherchieren kann, soll man nicht die Coronahotline belasten. Außerdem soll man den Chatbot nutzen. Na gut!

Mein Smartphone und der besagte Chatbot kommen nur schlecht miteinander zurecht. Die Informationen sind widersprüchlich. Vollständig geimpfte Personen müssen nicht in Quarantäne. Das gilt nicht bei den Virusvarianten Alpha und Delta. Und Omikron ist so neu, dass es noch nicht in der Verordnung auftaucht. Ich ziehe los und kaufe mir fünf Selbsttests in der Apotheke. Dann kaufe ich ein für eine gesamte Woche. Danach isoliere ich mich und warte. Symptome habe ich bisher nicht, aber ich mache jeden Tag einen Selbsttest. Das Teststäbchen ist so richtig dick, Tag für Tag schaue ich mit tränenden Augen auf mein negatives Ergebnis.

Eine Freundin fragt mich, ob wir zusammen an die Uni fahren wollen. Sie könne sich nach einem Monat Online-Lehre zu Hause nicht mehr zum Lernen motivieren. Ich auch nicht, aber meine Gedanken sind gerade ganz woanders. Ich sage, dass ich mich melde, sobald ich mehr weiß.

Am 7. Januar finde ich dann heraus, dass es in ein paar Testzentren in Berlin kostenlose PCR-Tests gibt. Man braucht eine rote Warnung in der Corona-Warn-App oder einen Brief vom Gesundheitsamt. Ich habe ersteres. Und zwar schon seit Wochen. Die ganze Zeit. Die Testzentren kann man an einer Hand abzählen; das nächste liegt an der Müllerstraße. Ich ziehe mich warm an und laufe los. Es wird bestimmt voll sein. Und tatsächlich: allein das Entlanggehen an der Schlange dauert mehrere Minuten. Viele genervte Gesichter unter FFP2-Masken. Ich stelle mich am Ende an und starte einen Podcast. Pünktlich zieht ein Wind auf und bringt Schneeregen. Langes Warten in einer Schlange, viele Menschen mit Covidverdacht, klirrende Kälte, grauer Himmel, Schneeregen und die Aussicht auf eine Coronainfektion: keine beneidenswerte Situation. Gut zwei Stunden später rührt ein junger Mann in einem weißen Overall und Gesichtsschild mit einem Teststäbchen in meinem Rachen. In 48 Stunden gibt es das Ergebnis. Auf dem Rückweg weiche ich braunen Pfützen aus und spüre ein verdächtiges Kratzen im Hals.

Am nächsten Morgen werde ich von meinem eigenen Husten geweckt. Ich glaube bereits das Testergebnis zu wissen. Aber diesmal spüre ich kein Fieber, keine mörderischen Kopfschmerzen, keine Appetitlosigkeit, keine Schlappheit und nicht das Gefühl, als wäre ich von einem LKW erfasst worden. Ich rieche an meinem Tee von gestern Abend. Ganz klar Kamille. Vielleicht bleiben meine Riechzellen diesmal verschont? Wenn das meine zweite Coronainfektion ist, dann ist sie bisher deutlich angenehmer als die erste. Später bildet sich auf meinem fünften Selbsttest erstmals ein zweiter rosa Strich. Blass, aber erkennbar. Ich schicke ein Foto von dem Teststreifen an meine Freunde und suhle mich in Selbstmitleid. Dann öffne ich Netflix.

Auch am 9.01 erwache ich hustend. Der erste Griff ans Smartphone bringt wenig überraschende Neuigkeiten: „Ihr PCR-Test ist positiv‘‘. Wenigstens wurden auf dem Bund-Länder-Treffen neue Maßnahmen beschlossen. Nach sieben Tagen Quarantäne kann man sich freitesten. Sieben Tage schaffe ich locker. Aber ab wann fängt man eigentlich an zu zählen? Es ist verwirrend. Abends bin ich mit meiner besten Freundin, die sich auch mit Covid in Quarantäne befindet, zum Online-Uno-Spielen verabredet. Das wird zu einer tröstlichen Abendroutine. Wir machen einen Videoanruf, spielen Karten, quatschen und schniefen und husten ins Mikrophon. Zum Naseputzen drücke ich auf stumm.

Einige Uno-Abende später höre ich noch immer nichts vom Gesundheitsamt. Der Husten ist hartnäckig und trocken. Ich erfahre von weiteren Coronainfektionen in meinem Umfeld. In gemeinsamen Gesprächen bemerken wir: Die neuen Coronaregeln wurden noch gar nicht umgesetzt. Wann ist eine Umsetzung in Berlin geplant? Trifft dann die neue oder die alte Verordnung auf mich zu? Sieben oder 14 Tage Quarantäne? Wir schicken Instagram-Posts und Links mit Übersichten hin und her. Niemand weiß eine Antwort. Verwirrung, Frust und Ärger machen sich breit. Konnte das nicht besser kommuniziert werden? Besonders, da sich jeden Tag so viel mehr Menschen in Quarantäne begeben und das Gesundheitsamt offensichtlich nicht mehr hinterherkommt.

Ich bin nun seit mehr als einer Woche in Isolation. Dann eine SMS: „Symptomtagebuch Tag 1‘‘. Eine Google Suche ergibt, dass es sich hierbei nicht um Spam handelt. Auf diese Art will das Gesundheitsamt meine Symptome nachverfolgen. Ich wüsste ehrlich gesagt lieber, wie lange ich in Quarantäne muss. Fleißig fülle ich auch ,,Tag 2 und 3‘‘ aus.

„Was machst du so den ganzen Tag in Quarantäne?‘‘ fragt mich jemand auf WhatsApp. Ich antworte: „Liegen, Probeabos abschließen und online Uno spielen‘‘. Den Probemonat kann man übrigens am selben Tag wieder kündigen.

Meine Seminare sind online, ich nehme teil, trotz Krankheit. Die Kamera bleibt ausgeschaltet. Bald sind meine Klausuren und eigentlich wollte ich schon längst mit dem Lernen anfangen. Ich habe den ganzen Tag Zeit, aber schaffe trotzdem nichts. Ich bin ja auch krank! Corona ist meine berechtigte Entschuldigung für alles.

Der Schnelltest meiner besten Freundin ist nach elf Tagen noch immer positiv. Wann ich meine Quarantäne beenden kann, steht wohl in den Sternen. Mir kommt eine Erinnerung hoch. An Silvester sitzen wir gemeinsam auf der Couch, mit einem selbstgemixten Cocktail und einem Set fürs Wachsgießen. Ich halte das Wachs über eine Kerze und kippe die geschmolzene Flüssigkeit in einen Topf voll Wasser. Nachdem ich das gehärtete Wachs aus dem Wasser fische, versuche ich anhand seiner Form etwas zu erkennen. In meiner nassen Hand sehe ein Eichhörnchen sitzen. Das Eichhörnchen steht für schwere Zeiten, die auf mich zukommen sollen; ich soll Vorräte anlegen. Irgendwie düster.

Sind das bereits die schweren Zeiten? Das kommende Jahr vorhersagen macht Spaß, aber nur wenn die Vorhersagen schön sind (sind sie nicht). Dass sich meine eigene Vorhersage für 2022 so schnell bewahrheitet, hätte ich nicht gedacht. Meine beste Freundin und ich, beide Omikron, vielleicht sogar gleichzeitig. Die Infektionszahlen sprechen für sich. Bis zum 13.01.2022 liegt die Inzidenz in Berlin bei fast 1000. Ich bin bloß eine von vielen. Ich habe schon wieder Covid.

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