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  • Dennis Müller

Glücksspiel in Videospielen

Jedes Jahr, meist im September oder Oktober, kommt eine neue Version des Videospiels Fifa auf den Markt. Dabei handelt es sich um eine Fußballsimulation aus dem Hause Electronic Arts, kurz EA. Zeitgleich mit dem Erscheinen des Spiels kommen Jahr für Jahr die gleichen Vorwürfe auf. Einerseits wird sich über die fehlenden Neuerungen beschwert. Andererseits beklagen sich sogar die realen Spieler:innen, die in Fifa abgebildet werden, dass sie sich von ihrer im Spiel gezeigten Stärke nicht repräsentiert fühlen. Neben diesen Vorwürfen steht Fifa allerdings vor allem wegen einer anderen Sache in der Kritik. Im Fokus steht der sogenannte Fifa Ultimate Team Modus, kurz FUT. FUT ist eine Mischung aus Sammelkartenspiel und einem kompetitiven Modus. Man sammelt Spielerkarten zur Verbesserung seines eigenen Teams, und tritt dann mit diesem gegen andere Spieler:innen an.


Was nach einem normalen Modus klingt, hat allerdings eine Schattenseite. Denn um sein Team zu verbessern, benötigt man selbstverständlich bessere und neue Karten. Diese Karten bekommt und findet man am häufigsten in Spielerpacks. Man kann sich diese Packs mit im Spiel verdienten Münzen kaufen oder man nutzt die Möglichkeit, diese Packs mit Echtgeld zu bezahlen. Hierbei ist die Variante, Packs mit Echtgeld zu kaufen die wesentlich attraktivere, weil das Erspielen eines Packs auf normalem Wege schlichtweg zu lange dauert. Zum Vergleich: Ein Premium Gold Pack – ein Standard Pack zur Verbesserung des Teams – kostet 7.500 Münzen und pro Spiel bekommt man etwa 500 davon. Man kann also entweder 15 Spiele für ein solches Pack spielen (ein Spiel dauert zwischen 15 und 20 Minuten) oder ich bezahle lieber sofort 1,50 Euro. Die Einnahmen in Höhe von knapp 3 Milliarden US-Dollar, die EA allein durch solche sogenannten Mikrotransaktionen macht, zeigen, dass Spieler:innen eher zu der Echtgeldmethode tendieren.


Es steht natürlich jeder Person frei, wie er oder sie sein Geld verwendet. Allerdings ist die Möglichkeit, ein Pack zu kaufen vergleichbar mit der berühmten Katze im Sack. Es handelt sich grob gesagt um einfaches Glücksspiel. Man weiß zwar, dass man aus diesem Pack eine Goldkarte ziehen wird, allerdings nicht welche. Da es sich bei Fifa um ein kompetitives Spiel handelt, ist man selbstredend klar im Vorteil mit einem Team, dass aus Cristiano Ronaldo oder Timo Werner besteht. Die Wahrscheinlichkeit solche Spieler zu ziehen, vor allem Cristiano Ronaldo, ist aber verschwindend gering. Spätestens jetzt wird die Glücksspielmechanik in Fifa kritisch. Es ist hierbei nicht genau bekannt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, Cristiano Ronaldo in einem Pack zu ziehen, aber wahrscheinlich wäre ein Royal Flush im Texas Hold´em zu bekommen in etwa vergleichbar. Diese Wahrscheinlichkeit liegt bei 0,0032%.


Trotz dieser massiven Zufallsmechanik, kaufen unzählige Spieler:innen Tag für Tag Packs, mit der Hoffnung eine der begehrten Karten zu erhalten und geben viel Geld dafür aus. Obwohl sich Deutschland schwertut, diesen Aspekt von Fifa als Glücksspiel zu bezeichnen, gibt es Länder, die gegen Electronic Arts genau deswegen vorgehen wollen. So hatte etwa in den Niederlanden die Glücksspielbehörde vor einem Gericht in Bezug auf die Glücksspielthematik in Fifa Recht bekommen. Laut ihrer Einschätzung handle es sich bei diesem Teil von Fifa um illegales Online-Glücksspiel. Das wird dadurch begründet, dass die aus den Packs gezogenen Spieler im Voraus nicht bekannt sind und anschließend an Dritte für Münzen verkauft werden können. Hier wird auf den internen Markt verwiesen, der zum Teil die gleichen Charakteristika wie eine Börse aufweist. Neben den Niederlanden ist Belgien bisher das einzige Land in der EU, das das Kaufen von Packs mit Echtgeld verboten hat.


Ein weiterer Aspekt, warum diese Mechanik als Glücksspiel eingestuft werden sollte, ist der fehlende Jugendschutz. Fifa 21 besitzt keine Altersbeschränkung und bietet somit Minderjährigen den hürdenlosen Zugang zu Glücksspielmechaniken. Fifa versteht es ebenso wie die Glücksspielindustrie, süchtig machende Mittel in ihr Spiel zu integrieren. So ist das Öffnen eines Packs immer ein Spektakel und man möchte sein Team sowieso andauernd verbessern. Wenn im ersten Pack kein guter Spieler drin war, dann ist er es vielleicht im zweiten, im dritten oder im hundertsten. Vor allem Minderjährige werden dabei von niemanden geschützt. Die Eltern müssten vorher über ein Spiel, dass von einer offiziellen Behörde ab 0 Jahren freigegeben ist, erst eigenständig und ausführlich recherchieren, um auf diese Sache aufmerksam zu werden.


Nun ist Fifa zwar der prominenteste Glücksspielfall in der Videospielbranche, aber bei weitem nicht der einzige. Heutzutage bietet nahezu jedes Spiel, vor allem aber Spiele mit integrierten Multiplayer, irgendeine Glücksspielmechanik. Nichtdestotrotz gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie der Entwickler dies ins Spiel einbindet. So gibt es Spiele wie Overwatch, Destiny und unzählige mehr, die in ihren In-Game Shops sogenannte Lootboxen anbieten. Lootboxen sind Kisten, in denen sich eine bestimmte Anzahl von Items befinden. Der Unterschied zu den Packs aus Fifa besteht darin, dass in diesen Lootboxen meistens nur kosmetische Items, wie etwa Outfits oder Waffentarnungen, enthalten sind und keinen Einfluss auf das Gameplay oder die Siegchancen haben.


Dennoch haben auch diese eine süchtig machende Wirkung auf den Endverbraucher. Das kommt dadurch zustande, dass der Entwickler das Öffnen einer Box, wie bereits bei den Packs in Fifa, zu einem Event werden lässt. So ist die Öffnung immer mit Feuerwerk, bombastischem Sound und einer aufsehenerregenden Präsentation verbunden. Es macht Spaß, eine Lootbox zu öffnen und man fühlt sich gut dabei, vor allem, wenn auch noch das gewünschte Item gezogen wurde. Dass diese Items zumeist nur in Lootboxen vorhanden sind und man auf gewöhnlichem Wege ohne die Verwendung von Echtgeld, natürlich weder das gewünschte Item noch eine besonders hohe Anzahl an Lootboxen bekommt, ist zusätzlich kritisch zu betrachten.


Immerhin handelt es sich letztendlich trotzdem nur um kosmetische Items. Man spielt nicht besser mit ihnen und man spielt nicht schlechter mit ihnen. Im Gegensatz zu den Spielerpacks in Fifa. Um Glücksspiel handelt es sich dennoch in beiden Fällen. Auch bei den Lootboxen weiß man vorher nie genau, was man bekommt, es ist dem Zufall überlassen. Nur eine Sache ist garantiert, und zwar, dass das Wunschobjekt mit einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit auch gezogen wird und dass man um ein paar Euro erleichtert wurde. Das wäre kein Problem, wenn man sich alle Items, unter anderem auch die Lootboxen, fair und ohne Verwendung von Echtgeld erspielen könnte. Allerdings entscheiden sich Entwickler immer häufiger gegen dieses Vorgehen und geben den Spieler:innen lieber die Möglichkeit in einem vorher zum Vollpreis, etwa 70€, gekauften Spiel ihre Items ebenfalls mit Echtgeld zu kaufen. Die Wirtschaftlichkeit an diesem System ist ersichtlich und fast ausschließlich eine Win-Win Situation für den Entwickler und Publisher.


Das einzig Negative, was dem Entwickler droht, ist die schlechte Publicity und ein beschädigter Ruf, den ein Spiel, dass solche Glücksspielfunktionen anbietet, vor dem Erscheinungstag und danach, erfährt. Spiele wie Fifa werden trotz schlechter Kritik seitens der Spieler:innen Jahr für Jahr millionenfach verkauft — auf metacritic.com hat Fifa 21 auf der Playstation 5 einen Userscore von 3,3 bei 10 möglichen Punkten. Warum also sollte sich ein Entwickler wie EA gegen die interne Glücksspielmechanik entscheiden? Etwa aus ethischen Gründen, da man dieses System auch ungebremst bei Minderjährigen anwendet? Die Politik in Deutschland hält sich zu diesem Thema auf jeden Fall weiterhin bedeckt und sieht vorerst keinen Handlungsbedarf. Trotzdem kommen zugegebenermaßen im Vergleich zu den vorherigen Jahren immer mehr Spiele ohne oder zumindest mit abschwächten Formen des Glücksspiels auf den Markt. Nichtsdestotrotz wirkt es eher so als würde man die Spieler:innen nur beschwichtigen wollen. Denn ein neues Spiel mit Lootboxen, Mikrotransaktionen und Pay-to-Win Mechaniken wird garantiert kommen.

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